Skip to main navigation Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Thesenpapier – Ein Leitfaden für Studierende

Ihre Prüfung selbst gestalten

Ein Thesenpapier ist mehr als ein Prüfungsdokument – es ist Ihr Werkzeug, um aktiv die Dramaturgie Ihrer Prüfung mitzugestalten. Indem Sie das Thesenpapier mit Ihrer Dozentin oder Ihrem Dozenten aushandeln, übernehmen Sie eine entscheidende Rolle in der Strukturierung und Ausrichtung Ihrer Prüfung. Dieser Leitfaden zeigt Ihnen, wie Sie Ihre Prüfungskompetenzen gezielt identifizieren, sichtbar machen und optimal einbringen können.

Das Thesenpapier als Instrument der Prüfungsdramaturgie

Prüfungen sind mehr als reine Wissensabfragen. Sie bieten Ihnen die Möglichkeit, Ihre im Studium erworbenen Kompetenzen zu demonstrieren. Studienordnungen definieren klare Kompetenzziele, doch der Schlüssel liegt darin, diese Ziele auf Ihre persönliche Prüfungsleistung zu beziehen. Das Thesenpapier ist der Ort, an dem Sie:

  • Ihre Kompetenzen sichtbar machen: Welche Fähigkeiten haben Sie im Studium erlernt, und wie können Sie diese auf die spezifischen Prüfungsanforderungen anwenden?
  • Die Prüfung aktiv gestalten: Indem Sie in der Ausarbeitung und Abstimmung des Thesenpapiers Schwerpunkte setzen, beeinflussen Sie die Richtung der Prüfung und schaffen eine Basis für das Gespräch.
  • Die Erwartungen klären: Das Thesenpapier dient dazu, ein gemeinsames Verständnis zwischen Ihnen und Ihrer Dozentin oder Ihrem Dozenten zu entwickeln.

Schritt 1: Klärung Ihrer Kompetenzen

Bevor Sie mit dem Schreiben des Thesenpapiers beginnen, sollten Sie sich die in Ihrer Studienordnung definierten Kompetenzen genau ansehen. Dabei geht es nicht nur um das Fachwissen, sondern auch um methodische, soziale und kommunikative Fähigkeiten, die in der Prüfung gefragt sind.

  1. Was die Studienordnung vorgibt: Studienordnungen nennen oft Kompetenzziele wie „kritische Analyse“, „Theorienvergleich“, „Argumentationsfähigkeit“ oder „Anwendung von Methoden“. Überlegen Sie, wie diese Anforderungen mit den Themen Ihrer Prüfung verknüpft sind.
  2. Selbstreflexion über Ihre Stärken:
    • Können Sie komplexe Theorien in eigenen Worten zusammenfassen?
    • Sind Sie in der Lage, verschiedene Perspektiven zu einem Thema in eine Diskussion einzubringen?
    • Welche Methoden beherrschen Sie besonders gut, und wie können Sie diese für Ihre Prüfung einsetzen?
  3. Die Verbindung herstellen: Überlegen Sie konkret, wie Sie diese Kompetenzen in der Prüfung einbringen können. Das Thesenpapier ist der Ort, an dem Sie diese Überlegungen greifbar machen. Beispiel: „Ich möchte in der Prüfung zeigen, dass ich die Theorie XY nicht nur erläutern, sondern auch auf die Praxis anwenden kann.“

Schritt 2: Das Thesenpapier als Verhandlungsgrundlage

Ein Thesenpapier ist kein starres Dokument, sondern ein Entwurf, den Sie gemeinsam mit Ihrer Prüferin oder Ihrem Prüfer entwickeln können. Nutzen Sie das Thesenpapier, um die Themen und den Ablauf der Prüfung aktiv mitzugestalten.

  1. Erstellen eines ersten Entwurfs: Skizzieren Sie Ihre zentralen Thesen, die Kompetenzen, die Sie einbringen möchten, und die Aspekte, die Ihnen besonders wichtig sind. Strukturieren Sie diese Gedanken in einem logischen Aufbau: Einleitung, Hauptteil, Fazit.
  2. Gespräch mit Ihrer Prüferin/Ihrem Prüfer: Bringen Sie Ihr Thesenpapier frühzeitig in die Diskussion ein. Fragen Sie gezielt nach:
    • „Sind die Kompetenzen, die ich im Thesenpapier zeige, für die Prüfung passend?“
    • „Sehen Sie Verbesserungspotenzial in der Schwerpunktsetzung?“
    • „Wie können wir gemeinsam die Prüfung so gestalten, dass meine Stärken optimal sichtbar werden?“
  3. Überarbeitung und Verfeinerung: Nach dem Gespräch passen Sie das Thesenpapier an die besprochenen Punkte an. Dies zeigt nicht nur Ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit, sondern auch Ihr Engagement und Ihre Reflexionsfähigkeit.

Schritt 3: Ihre Prüfung strategisch inszenieren

Mit dem Thesenpapier übernehmen Sie die Rolle der Dramaturgin oder des Dramaturgen Ihrer Prüfung. Denken Sie an eine Prüfung wie an eine Inszenierung, bei der Sie die Hauptrolle spielen. Ihre Dozentin oder Ihr Dozent ist Regie, aber Sie liefern das Drehbuch.

  • Ein klarer roter Faden: Ihr Thesenpapier legt den roten Faden Ihrer Prüfung fest. Jede These, die Sie präsentieren, sollte auf eine bestimmte Kompetenz abzielen.
  • Spannung aufbauen: Wählen Sie Beispiele oder Argumente, die Interesse wecken und zeigen, dass Sie sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben.
  • Klarheit und Prägnanz: Ihre Thesen sollten prägnant formuliert sein, aber Raum für Diskussionen lassen. Sie wollen nicht alles vorwegnehmen, sondern interessante Gespräche ermöglichen.

Schritt 4: Praktische Umsetzung

  1. Einleitung: Führen Sie in das Thema ein und erläutern Sie, warum Sie dieses Thema gewählt haben. Verknüpfen Sie es mit den Kompetenzen, die Sie zeigen möchten.
  2. Hauptteil: Entwickeln Sie Ihre Thesen. Ordnen Sie diese nach Priorität oder logischer Abfolge. Arbeiten Sie heraus, welche Kompetenzen durch jede These sichtbar werden.

    Beispiel:

    • These 1: „Die Theorie XY ist besonders relevant, um Problem Z zu erklären.“ Kompetenz: Fachliche Analyse, Anwendung auf Praxisbeispiele.
    • These 2: „Die Methode A ist anderen Methoden überlegen, da sie B besser berücksichtigt.“ Kompetenz: Methodenkritik und -auswahl.
  3. Fazit: Fassen Sie die wichtigsten Punkte zusammen und geben Sie einen Ausblick auf weiterführende Fragen, die sich aus Ihren Thesen ergeben. Dies signalisiert Reflexionsfähigkeit und vertieft die Diskussion.

Schritt 5: Reflexion und Feinschliff

Nach der Fertigstellung Ihres Thesenpapiers ist eine letzte Reflexion entscheidend. Fragen Sie sich:

  • Zeigt mein Thesenpapier die Kompetenzen, die in der Studienordnung gefordert werden?
  • Ist klar erkennbar, welche Stärken ich einbringen möchte?
  • Wurde das Papier so gestaltet, dass die Dozentin oder der Dozent eine klare Orientierung für die Prüfung hat?

Bitten Sie ggf. eine Kommilitonin oder einen Kommilitonen, Ihr Thesenpapier durchzulesen, um sicherzustellen, dass es verständlich und überzeugend ist.

Fazit: Werden Sie die Regie Ihrer Prüfung

Ein Thesenpapier ist mehr als ein Dokument – es ist Ihre Chance, aktiv die Richtung und den Fokus Ihrer Prüfung mitzubestimmen. Durch eine bewusste Auseinandersetzung mit den Kompetenzen, die Sie zeigen möchten, und eine konstruktive Abstimmung mit Ihrer Prüferin oder Ihrem Prüfer gestalten Sie Ihre Prüfung als Erfolgsgeschichte. Nutzen Sie diese Möglichkeit, um Ihre Stärken sichtbar zu machen und selbstbewusst Ihre Prüfung zu meistern.

Die Bedeutung einer Fragestellung für ein Thesenpapier: Methodische und inhaltliche Orientierung

Ein Thesenpapier ist mehr als eine bloße Sammlung von Argumenten oder eine Übersicht über ein Thema. Es bietet den Rahmen, um eine spezifische Fragestellung methodisch, konzeptionell und argumentativ zu analysieren und zu bearbeiten. Die Fragestellung bildet die Klammer des gesamten Thesenpapiers: Sie strukturiert die Diskussion und gibt vor, worauf sich die Argumentation konzentrieren soll. In der Philosophie bedeutet dies, die Thematik in Bezug auf verschiedene methodische und inhaltliche Aspekte zu analysieren.

Die methodische Ausrichtung einer Fragestellung

In der Philosophie lassen sich Fragestellungen anhand unterschiedlicher methodischer Ansätze untersuchen, wie beispielsweise:

  • Ontologische Aspekte: Welche Grundannahmen über die Beschaffenheit der Wirklichkeit liegen der Fragestellung zugrunde? Z.B. sind Werte objektiv oder subjektiv?
  • Geltungstheoretische Perspektiven: Welche Kriterien entscheiden über die Richtigkeit oder Legitimität von Aussagen?
  • Konzeptionelle Klärung: Welche Begriffe und Konzepte müssen präzisiert werden, um die Fragestellung klar zu formulieren?
  • Argumentative Struktur: Welche Argumentationsmuster sind notwendig, um die Fragestellung schlüssig zu bearbeiten?
  • Epistemische und epistemologische Fragen: Welche Erkenntnisquellen oder -methoden sind geeignet, um zur Beantwortung der Fragestellung beizutragen?
  • Semantische Analyse: Welche Bedeutungsebenen spielen in der Fragestellung eine Rolle? Wie beeinflusst die semantische Struktur die argumentative Auseinandersetzung?

Für jede dieser Dimensionen gibt es in der Philosophie etablierte Ansätze und Antworten. Ein Beispiel: In der Ontologie könnte man zwischen realistischen und nominalistischen Positionen differenzieren, während epistemologische Fragen etwa zwischen Rationalismus und Empirismus verortet sein könnten.

Beispiele für Fragestellungen in der Philosophie

  1. Ethik: „Ist es moralisch zulässig, Regeln zu brechen, um höhere Güter zu erreichen?“
    • Ontologisch: Existieren universale moralische Regeln?
    • Geltungstheoretisch: Welche Prinzipien oder Werte rechtfertigen moralisches Handeln?
    • Argumentativ: Welche Beispiele oder Analogien können zur Klärung beitragen?
  2. Politische Philosophie: „Welche Bedingungen machen eine politische Ordnung gerecht?“
    • Ontologisch: Was bedeutet Gerechtigkeit in sozialen Strukturen?
    • Konzeptionell: Wie unterscheidet sich Gerechtigkeit von anderen politischen Idealen wie Freiheit oder Gleichheit?
    • Epistemologisch: Kann man durch rationale Methoden die gerechteste Ordnung bestimmen?

Die Rolle der These: Eigenständigkeit in der Prüfung

Eine These stellt die konkrete Position dar, die zur Beantwortung der Fragestellung eingenommen wird. Sie ist keine Zusammenfassung, sondern ein eigenständiger Beitrag zur Debatte. In einer Prüfung zeigt die Verteidigung einer These, dass der/die Studierende nicht nur Wissen reproduzieren, sondern auch wissenschaftlich eigenständig denken kann.

Die Funktion der These ist dabei doppelt:

  1. Positionierung in der Debatte: Die These verdeutlicht, welche spezifische Antwort auf die Fragestellung vertreten wird und grenzt sich gegen andere mögliche Antworten ab.
  2. Methodische Orientierung: Die These bestimmt, welche Argumente, Beispiele und Methoden im Rahmen der Prüfung relevant sind.

Beispiele für Thesen zu den genannten Fragestellungen:

  • Ethik:
    1. „Das Brechen von Regeln ist moralisch gerechtfertigt, wenn es das Wohl der Mehrheit fördert.“
    2. „Moralische Regeln sind absolut und dürfen unter keinen Umständen gebrochen werden.“
    3. „Die Zulässigkeit des Regelbruchs hängt von der kulturellen Interpretation moralischer Werte ab.“
  • Politische Philosophie:
    1. „Eine gerechte politische Ordnung basiert auf der Maximierung individueller Freiheit.“
    2. „Gerechtigkeit erfordert die Gleichverteilung von Ressourcen.“
    3. „Eine politische Ordnung ist gerecht, wenn sie allen Bürger:innen gleiche Chancen garantiert.“

Die Verbindung von Fragestellung und These zur Gliederung

Die Kombination von Fragestellung und These erfüllt in der Prüfung zwei Funktionen:

  1. Zeitliche Begrenzung: Die klare Fokussierung auf einen spezifischen Aspekt der Fragestellung hilft, die Diskussion an den zeitlichen Rahmen der Prüfung anzupassen.
  2. Strukturierung der Argumentation: Die Fragestellung gibt vor, welche Schritte in der Argumentation notwendig sind, um die These zu begründen.

Um diese Schritte methodisch anzugehen, bietet sich eine Gliederung an, die die Argumentation systematisch entwickelt.

Beispiele für Gliederungen

Ethik: Fragestellung: „Ist es moralisch zulässig, Regeln zu brechen, um höhere Güter zu erreichen?“
These: „Das Brechen von Regeln ist gerechtfertigt, wenn es das Wohl der Mehrheit fördert.“

  • Einleitung: Bedeutung der moralischen Regelbindung und der Ausnahmefälle.
  • Ontologische Analyse: Gibt es universale moralische Regeln?
  • Geltungstheorie: Das Prinzip des größten Glücks als Grundlage.
  • Argumentation: Beispiele für moralisch gerechtfertigte Regelbrüche (z. B. ziviler Ungehorsam).
  • Abgrenzung: Warum andere Prinzipien (z. B. deontologische Ethik) hier nicht greifen.
  • Schluss: Konsequenzen für moralisches Handeln in der Praxis.

Politische Philosophie: Fragestellung: „Welche Bedingungen machen eine politische Ordnung gerecht?“
These: „Eine gerechte politische Ordnung basiert auf der Maximierung individueller Freiheit.“

  • Einleitung: Die Relevanz von Gerechtigkeit in politischen Systemen.
  • Ontologische Analyse: Was bedeutet Gerechtigkeit in sozialen Kontexten?
  • Konzeptionelle Klärung: Freiheit vs. Gleichheit als zentrale Ideale.
  • Argumentation: Warum Freiheit als Grundlage politischer Gerechtigkeit dient (z. B. liberale Theorien).
  • Abgrenzung: Warum Gleichheit oder Utilitarismus weniger geeignet sind.
  • Schluss: Bedeutung der These für moderne Demokratien.

Ein gut strukturiertes Thesenpapier ermöglicht es Studierenden, in der Prüfung methodisch klar und inhaltlich präzise zu argumentieren. Die Fokussierung auf eine spezifische Fragestellung und die Verteidigung einer These sind Schlüssel für ein überzeugendes wissenschaftliches Auftreten.

Ein Thesenpapier sollte in der Entwurfsphase zwei bis drei Mal überarbeitet werden, um Präzision und argumentative Schärfe zu gewährleisten. Dieser Prozess des „Ping und Pong“ lebt von konstruktiver Kritik, die Schwächen aufzeigt und Verbesserungsvorschläge macht. Wichtig ist jedoch, dass diese Kritik nicht darauf abzielt, eine völlig neue Fragestellung oder These zu entwickeln, da dies den Arbeitsprozess unproduktiv verlängert. Stattdessen sollte die Überarbeitung helfen, die bestehende Fragestellung und These klarer, stringenter und methodisch fundierter zu formulieren. So bleibt der Fokus erhalten, und das Thesenpapier entwickelt sich inhaltlich und formal weiter, ohne in endlosen Neuanfängen zu münden.