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Metaphilosophie des Buches

Es ist lästig, über seine eigene Engstirnigkeit nachzudenken. In pluralistischen Gesellschaften wird man im Bezug auf seine Moral immer wieder gezwungen, Selbstverständliches in Frage zu stellen. Die philosophische Ethik leidet aber im Gegensatz zur common-sense Moral unter einer professionell herbeigeführten Engstirnigkeit. Viele Philosophen haben ihre jeweils eigenen Ansätze zu vielen Themen entwickelt und ihre Konzepte, Argumente und Theorien sind so konstruiert, dass echte philosophische Alternativen entweder als Unsinn erscheinen oder professionell als undenkbar charakterisiert werden müssen. Das folgende Glossar macht deutlich, dass dieses Buch methodischer Engstirnigkeit abzuhelfen gedenkt.

Lemmata

Affekt  (Gefühl, evaluative Erfahrung) Das Wort wird oft mit "Gefühl" gleichbedeutend gebraucht. Terminologisch wird es in der Ethik als Verweis auf eine zugleich kognitive, emotionale und motivationale Erfahrung benutzt. Flugangst ist ein Affekt. Wer Flugangst hat, hat eine Erfahrung, die komplex ist: Sie beruht (1-kognitiv) auf bestimmten Vorstellungen über das Fliegen (Thesen über die Wahrscheinlichkeit des Absturzes), (2-emotional) bewirkt unangenehme Angstempfindungen aufgrund vermeinter Gefahr für Leib und Leben, (3-motivational) veranlasst jemanden einerseits eher mit der Bahn zu reisen und andererseits sein Leben (Beruf, Urlaub) so zu planen, dass er ohne Fliegen auskommt. (Andere Affekte sind etwa: Eifersucht, Trauer, Liebe, Neugier, Freude, Ekel.)

allozentrisch, egozentrisch  Manche Philosophen vertreten einen Egoismus. Ihre Position kann jedoch vielfach gedeutet werden: allozentrisch oder egozentrisch (von griechisch allos = ein anderer, und griechisch ego = ich). Der egozentrische Egoist erscheint uns egoistisch, weil er seine Interessen gegen unsere verfolgt. Der allozentrische Egoist verfolgt zwar seine Interessen, aber er plant dabei die Interessen anderer konstruktiv mit ein, um möglichst erfolgreich egoistisch sein zu können. Möglicherweise ist der allozentrische Egoist, dann am erfolgreichsten, wenn er sich selbst subjektiv für vollständig altruistisch hält, sich also selbst vollständig über seine egoistischen Motive täuscht.

Alltagsmoral  Personen wachsen in eine moralisch bedeutungsvolle Welt hinein. Sie übernehmen moralische Vorstellungen einer räumlich und zeitlich kontingenten sozialen Umgebung. Dieser Vorgang der biografischen Aneignung ist nicht nur passiv, sondern Personen geben der Moral auch eine individuelle Färbung. Somit gibt es nicht die Alltagsmoral, sondern viele unterschiedliche. Aber keineswegs ist die Vielfalt chaotisch. Bei aller Variabilität kann man in einem kulturellen und sozialen Rahmen immer auch von weitgehend geteilten moralischen Auffassungen ausgehen. Diese soziale Gemeinsamkeit kann man als common sense bezeichnen. Der common sense ist eine komplexe Pluralität im Geltungssinne. Dass er nicht als moralfähig gilt, liegt an der Pluralität. Oft gilt Moral als ein nicht-pluralistisches Normen- und Werte-System. Der Geltungscharakter des common sense und der Alltagsmoral erscheint daher fraglich und schwach. Der Konsens ist möglicherweise auch unmoralisch (man denke an sexistische, rassistische ... Alltagsmoralen, die man zu Recht missbilligen möchte). Der Konsens ist brüchig und veränderlich. Sein komplexer Geltungscharakter kann daher nicht im Rahmen traditionaler philosophischer Ethiken der Neuzeit (psychologische Ethiken), sondern nur in wert- oder tugendethischen Ansätzen erfolgreich gedeutet werden. Sein Geltungskonzept kann auch als das historischer Erfahrung bezeichnet werden.

Altruismus  Egoismus

Autarkie  ist Selbstgenügsamkeit (von grie­chisch autarkeia). Ein Land ist dann autark, wenn es alle seine Güter aus sich selbst für sich selbst gewinnt. Personen können im moralischen Sinne dann moralisch selbstgenügsam sein, wenn sie faktisch, begründungstheoretisch, motivational und effektiv selbstgenügsam sind. Ihre moralische Erfahrung erfasst Situationen adäquat (faktisch). Sie verstehen ihre moralischen Aspekte adäquat (begründungstheoretisch) und handeln entsprechend adäquat (motivational). Überdies verwirklichen sie wahrnehmend, reflektierend und handelnd das Richtige, Angemessene und Gute in der Welt (effektiv). Dass eine Person in diesem vierfachen Sinne selbstgenügsam sein könnte, ist ziemlich unwahrscheinlich. Autarkie ist ein Ideal. Für antike Tugendethiken ist Autarkie aber notwendige und hinreichende Bedingung für Glück. Aristoteles fragt sich diesbezüglich sogar, ob eine Person glücklich genannt werden darf, wenn ihr Leben zwar gelingt, nach ihrem Tode aber die Werte dieses Lebens vernichtet werden (die Familie stirbt, der Reichtum geht verloren, mit der Erinnerung erlischt das Ansehen ...).

Axiologie  Die Axiologie einer Ethik ist ihre Wertlehre (von griechisch axion = wertvoll). Zentral ist dieser Begriff vor allem in Wert- und Tugendethiken. Aber jede Ethik muss Wertphänomene deuten können. Hierfür benötigt man Konzepte, die uns helfen, das Werthafte (das Gute, das Richtige, das Angemessene, das Wertvolle) philosophisch zu deuten. Diese Konzepte und Begründungsstrukturen sind die Axiologie einer Ethik. In einer Wertethik ist die Axiologie das System der Werte. In einer Tugendethik ist die Axiologie die reichhaltige und konzeptionell durchdrungene Vorstellung eines gelingenden Lebens. In psychologischen Ethiken ist die Wertlehre identisch mit dem subjektiven Charakter der Wertungen des von ihnen ausgezeichneten Typs evaluativer Erfahrung. So wird im Hedonismus als philosophischer Position das Konzept der "Lust" aus der philosophischen Deutung des Lusterlebens entwickelt. Das Konzept ist insofern mit dem Phänomen identisch, als seine Bedeutung nicht anderes ist.

Begierde  Seit Platon ist Begierde in der Philosophie ein Kampfbegriff. Es gibt einen unspezifischen Begriff der Begierde. Ihm zufolge begehren wir alles Mögliche, wenn wir etwas erstreben. Begierde in diesem Sinne ist alles, was wir wollen, wünschen, hoffen, wozu wir motiviert sind. Zum Kampfbegriff wird die Begierde in partikularistischen Moralpsychologien. In ihnen steht die Begierde (das, was wir wollen, wünschen, hoffen ...) gegen die Vernunft. Im Handeln soll man also nicht einfach unspezifisch wollen, wünschen und hoffen, sondern vernünftig. Diejenigen Gegenstände des Wollens, Wünschens und Hoffens, die unvernünftig sind, werden als Begierde entwertet. Der Gegensatz zwischen Vernunft und Begierde (Platon, Aristoteles, Kant) wird in Kapitel 12 hergeleitet.

Bewusstsein   (a) Das Bewusstsein ist jede Form der bewussten Evidenz (Wünsche, Lust, Begehren, Affekte, Emotionen, Wahrnehmungen ...). Evidenzen sind beliebige bewusste Erlebnisse, die sich teilweise gleichzeitig im Bewusstsein befinden, teilweise einander abwechseln (aufeinander folgen). Zwar ist das Bewusstsein ein mysteriöses "Phänomen," aber es wird von bestimmten Bereichen der Psychologie (direkt) erforscht. Bestimmte andere Bereiche der Psychologie (Psychoanalyse) oder die Neurologie erforschen das Bewusstsein indirekt. So mysteriös das Bewusstsein ist, so trivial ist (prima facie) auch die Tatsache, dass jeder weiß, was Bewusstsein bzw. was ihm oder ihr bewusst ist. Als unmittelbare und unbestreitbare Evidenz ist das Bewusstsein eine empirische Tatsache. Man kann es selbst erforschen. Man kann es selbst am Besten erforschen, weil die Zustände des Bewusstseins privat sind. Das Bewusstsein ist nur sich selbst empirisch (also als Evidenz) unmittelbar zugänglich. Öffentlich ist es durch sprachliche Äußerungen (jemand artikuliert seine Bewusstseinszustände und teilt sie sprachlich mit) oder durch Verhalten zugänglich (denn andere schließen durch unser Tun und Unterlassen auf unser Bewusstsein). Das evaluative Erleben ist als Alltagsmoral das moralische Bewusstsein von Personen. Zwar ist es das in seiner ganzen Vielfalt, aber viele philosophische Ethiken engen es auf partikulare Bereiche des Bewusstseins (Typen bewusster Erlebnisse: Vernunft, Lust ...) ein. Das ist immer rechtfertigungsbedürftig und nie unmittelbar einsichtig. Es wird erst aufgrund einer bestimmten Moralpsychologie im Rahmen einer Ethik verständlich, weil bestimmte Bereiche des evaluativen Erlebens geltungstheoretische Besonderheiten aufweisen: Das kategorische Pflichtbewusstsein unterscheidet sich von dem flatterhaften Lusterleben, die Erfahrung eines Sollens von der einer Angemessenheit — beides und vieles mehr fühlt sich als kognitive Evidenz in seinem Wertungscharakter unterschiedlich an). Jedem ist das unmittelbar als sein moralisches Bewusstsein einsichtig, wenn auch nicht immer richtig, vollständig oder kompetent artikulierbar. Insofern versteht man sein eigenes moralisches Bewusstsein möglicherweise nicht vollständig. Durch die Artikulation des moralischen Bewusstseins und seine philosophische Deutung als Ethik gewinnt man auch im Sinne einer neuen Evidenz Klarheit über sein moralisches Bewusstsein. In dem hier relevanten Sinne ist das private, empirische Bewusstsein immer auch Selbstbewusstsein. (b) Ein solcher (hier nur rudimentär skizzierter) Begriff des Bewusstseins kann von zwei Alternativen abgegrenzt werden. Während das Bewusstsein zunächst die von der empirischen Psychologie zu erforschenden Phänomene ausmacht, kann man Bewusstsein auch im Rahmen einer rationalen oder einer transzendentalen "Psychologie" erforschen. (Für letztere vgl. Subjektivität.) Die rationale Psychologie deutet das Bewusstsein philosophisch als das Mentale unabhängig von allen empirischen Bewusstseinsaspekten. Die Eigenschaften, Strukturen und Gesetze des Mentalen sind solche einer Substanz oder Struktur (des Mentalen: anima rationalis). Sie werden rational erschlossen. (Man denke an die Einheit des Ich im "cogito sum.") Das Mentale (Seele) in diesem Sinne ermöglicht die empirischen Phänomene des Selbst- und Gegenstandsbewusstseins.

Biodiversität  Biodiversität ist ein Beispiel für einen Wert, der heute wenig umstritten ist. Daher kann man ihn als modernen Wert bezeichnen. Dieser Wert hat heute sowohl international als auch national einen rechtlich abgesicherten Status und ist im moralischen Bewusstsein vieler Personen bedeutsam. Es ist eine historische Erfahrung in modernen Industriegesellschaften, dass die Umwelt eine Wertressource darstellt, die nicht unbegrenzt und unbeschränkt zur Verfügung steht. Ihr Verlust ist nicht nur konsequenzialistisch für Menschen lebensbedrohlich, sondern ein Wertverlust. Die Vielfalt der Arten sichert die Stabilität des Lebens ebenso, wie sie von uns als ästhetischer Wert, der sich wissenschaftlicher Erschließung eröffnet, erlebt wird. Biodiversität ist ein wichtiges Konzept, um den Wertcharakter der Umwelt zu verstehen.

Booh-and-hurrah-theory  Im Kontext des Non-Kognitivismus sind moralische Urteile nur scheinbar Urteile. Moralische Erfahrung ist einerseits eine Wahrnehmung (von bspw. Situationen) und andererseits eine gefühlsmäßige Reaktion: booh () oder hurrah (+). In der gefühlsmäßigen Erfahrung werden keine kognitiven oder rationalen "Urteilsaspekte" bewusst, sondern es handelt sich um rein motivationale Reaktionen auf etwas. In der Ethik kann die evaluative Erfahrung ein solches unqualifiziertes Gefühl sein, oder ein Affekt oder im weitesten Sinne eine Wertung.

Common sense  In der Ethik ist der Begriff common sense mit Alltagsmoral weitgehend austauschbar. Die in einem historischen, kulturellen und biografischen Rahmen geteilten Auffassungen sind Ausgangspunkte unserer Reflexionen über Moral. Da der common sense kontingent ist und nicht planvoll durch eine allgemein anerkannte ethische Reflexion gestaltet wurde, kann man von der Tatsache der Alltagsmoral nicht auf ihre Geltung (Angemessenheit, Richtigkeit ...) schließen. Die Ethik kann die Alltagsmoral kritisieren und dadurch verändern, aber keine bisherige Ethik kommt am Ende ihrer Reflexionen zu einer vollständigen Revision der Alltagsmoral. Auch Kant rekonstruiert letztlich mehr oder weniger vollständig den faktischen Konsens seiner Zeit (bis hin zu dessen Irrtümern: Suizidverbot). In der Ethik gibt es eine kritische und eine positive Haltung gegenüber dem common-sense. Kritisch betont man die Kontingenz der Alltagsmoralen und lenkt das Augenmerk auf ihre Fragwürdigkeiten. Positiv (oder: affirmativ) vertritt man die begründungstheoretische These, dass unsere Alltagsmoral (trotz aller Kritikwürdigkeit im Detail) in einem Prozess historischer Erfahrung entstanden ist, der ihr auch moralische Geltung verleiht, die dann in einer Ethik philosophisch rekonstruiert werden kann.

Dezisionismus, ethischer  Ein Dezisionismus ist eine Position, die eine willkürliche Entscheidung in das Zentrum der Begründung stellt (lateinisch decidere = etwas zum Abschluss bringen). An bestimmten Stellen in der Begründungsstruktur einer Ethik können Entscheidungen Legitimationsquellen sein. Wer dezisionistisch begründet, vertritt die These, dass eine grundlose Entscheidung ein Grund sein kann. Philosophisch wirkt das unsinnig und man versucht, den Dezisionismus zu vermeiden. Wann immer wir aber das Los oder das Kreuz auf dem Wahlzettel entscheiden lassen wollen, vertreten wir letztlich (aus politischer und gesellschaftlicher Perspektive) einen Dezisionismus. Denn wir akzeptieren (= anerkennen als legitim) dann in wirklich wichtigen Fragen Entscheidungen. Es gibt zwei Arten des Akzeptierens "grundloser" Entscheidungen: Der Respekt vor der Willkür kann radikal sein, wir erwarten dann von jemandem nicht notwendig überhaupt Gründe für sein Handeln (= Los). Er kann aber auch weniger radikal sein: Wir erwarten dann zwar Gründe (und dürfen das auch), aber wir haben zu respektieren, dass uns diese Gründe nichts angehen (= Wahlzettel). Gründe müssen nicht notwendig transparente (= in die Öffentlichkeit zu zerrende) Gründe sein, falls sie in den Bereich unserer Intimität gehören. (Vgl. Abtreibung, § 218a, 219 StGB : Die Gesellschaft verlangt, dass Abtreibungen begründet und informiert statt finden. Dies wird durch ergebnisoffene Beratung gewährleistet. Faktisch kommt es aber nur auf die Entscheidung der Abtreibenden an.)

Egalitarismus  Gleichheit ist in modernen Gesellschaften ein Grundwert (von französisch égalité bzw. lateinisch aequalitas). Ständische Ungleichheit, die nur für die Mitglieder eines Standes Gleichheit kennt, gilt uns als unakzeptabel. Aus dem Kontext der politischen Philosophie hielt der Begriff Einzug in die Ethik. Psychologische Ethiken sind insofern revisionistisch, als sie einen Typ der evaluativen Erfahrung als die moralische Erfahrung auszeichnen. Beispiele hierfür sind die Axiologien des Utilitarismus und der Deontologie: Lust (Hedonismus) und Vernunft (Deontologie). Diese Wertprinzipien sind nun egalitär – denn warum solle meine Lust besser sein als deine? Meine Vernunft ist als Vernunft auch deine Vernunft! Wer also Frauen, Proletarier und Tiere aus dem Bereich der moralisch beachtenswerten Kooperationspartner ausschließen will, muss zeigen, dass sie keine Vernunft haben, oder dass ihre Lust irrelevant ist. Ansonsten ist ein Verbot von gleichen politischen Partizipationsrechten für Frauen und Proletarier schlicht ungerechte Willkür (vgl. eine kantische Deontologie). Wer Tiere in den Bereich des Moralischen einbeziehen möchte, wird ihre Lust als gleichwertig mit der unsrigen aufwerten (Utilitarismus).

Egoismus  Der Egoismus ist sowohl als psychologische als auch als ethische These zu verstehen. Beide sind unabhängig voneinander. Psychologisch bedeutet Egoismus, dass Personen nur auf sie selbst bezogene Motive haben. Der Altruismus ist die Gegenthese (Nächstenliebe). Es geht also um die Behauptung der Tatsache, dass jeder nur nach seinem Vorteil strebt. Der ethische Egoismus ist die These, dass es gut, richtig, angemessen, pflichtgemäß ist, nach seinem Vorteil zu streben (allozentrisch, heteropsychologisch). Vgl. insgesamt Kap. 4.

egozentrisch  allozentrisch

Emotivismus  Moralische Wertungen sind dem Emotivismus zufolge weder Urteile noch Affekte, sondern Gefühle. Wir erfassen wahrnehmend oder affektiv eine Situation und reagieren mit Gefühl auf das Erfasste. Im Gegensatz zu Affekten ist das Gefühl binär (booh/igitt!, hurrah/toll!) und im Gegensatz zu Affekten und Urteilen ist das Gefühl einfach. Das bedeutet: Als Affekt ist die Flugangst eine negativ wertende Reaktion auf das Fliegen, die auf bestimmten Annahmen beruht. Spinnenangst ist eine andere Angst. Emotionen im Emotivismus sind keine spezifischen und keine mit Annahmen verbundenen Gefühle. Sie sind einfach nur ein + oder ein , das sich in uns regt (booh-and-hurrah-theory).

Epistemologie  Die Epistemologie ist die Lehre vom Wissen. Ihr Hauptinteresse gilt der Frage: Was ist begründetes Wissen? In psychologischen Ethiken ist die Epistemologie konstitutiv für die Axiologie. In nicht-psychologischen Ethiken ist die Epistemologie zwar auch abhängig von der Moralpsychologie, aber diese ist nicht konstitutiv für ihre Axiologie.

Error-theory  Die Fehler-Theorie ist eine besondere These im Kontext der Begründungstheorie und der Epistemologie. Evaluative Erfahrung ist (so der eine Teil der These) urteilhaft. Wir fällen moralische Urteile. Als solche sind diese Urteile wie Wahrnehmungsurteile Urteile über Tatsachen. Das Urteil, dass es regnet, ist wahr, wenn es regnet. Im Gegensatz zu Wahrnehmungsurteilen sind moralische Urteile (so der andere Teil der These) notwendig falsch. Es kann im Inventar der Welt zwar "Regen" geben, aber nicht Werte, "Grausamkeit" oder das Gute. Was es im Inventar der Welt gibt, sagen uns nur die Naturwissenschaften (Naturalismus, B). Moralische Urteile sind als Urteile immer falsch und daher Fehler; aber Fehler des Urteilsvermögens.

Ethik  Drei Begriffe sind in einer Einführung in die Allgemeine Ethik zentral für das Themengebiet: Ethik, Moral und Metaethik. Es herrscht in der Philosophie jedoch keinerlei klare Abtrennung zwischen Ethik und Moral und keine Einigkeit darüber, ob Metaethik sinnvoll ist. Jeder Philosoph kann eine solche Einführung anders schreiben, wenn er bezüglich dieser Konzepte andere Auffassungen vertritt. Eine Festlegung ist idiosynkratisch (idiopsychologisch). In dieser Einführung wird unter (A) Moral etwas verstanden, von dem man einigermaßen überzeugend sagen kann, dass der common-sense (nicht verstanden als Ethik) es anerkennt (Alltagsmoral, historische Erfahrung). Der common-sense ist veränderlich, unklar, widersprüchlich und keineswegs einheitlich und möglicherweise an vielen Punkten sogar unmoralisch. Eine (B) Ethik deutet die Moral konzeptionell, theoretisch und argumentativ. Dieses philosophische Deuten kann sowohl als Artikulieren als auch als Begründen konzipiert werden. Eine common-sense-Ethik deutet die common-sense-Moral als eine Entwicklung historischer Erfahrung und arbeitet ein Geltungskonzept begrifflich klar heraus. Andere Ethiken kommen zu anderen Deutungen. Man kann aus einer Ethik aber nicht auf eine Moral schließen. Der Utilitarismus kann ein Abtreibungsverbot ebenso begründen, wie die Deontologie eine Erlaubnis oder ein Gebot zur Abtreibung. Ethiken sind Theorien der Moralen. Jede Ethik kann jede Moral deuten und in ihrer Deutung die Moral des common-sense ebenso affirmativ rekonstruieren, wie sie ihn kritisch revidieren kann. Es gibt aber Ethiken, die sich besser als andere eignen, um gewisse Aspekte der moralischen Erfahrung theoretisch zu deuten. Wer aber sagt, dass ein "kategorisches" Abtreibungsverbot (Moral) nur deontologisch "bedingungslos" gerechtfertigt werden kann und nicht utilitaristisch (Ethik), begeht einen theoretischen Fehlschluss: Denn dass eine vehemente Ablehnung (Moral) Geltung im Sinne einer deontologischen Bedingungslosigkeit (Ethik) impliziert, ist offensichtlich unschlüssig, weil es andere Ethiken gibt mit anderen Geltungskonzepten, die auf anderem Weg material zu einer gleich vehementen Moral führen. Eine (C) Metaethik ist einerseits eine Reflexion auf das Verhältnis zwischen Moral und Ethik (A/B). Dieser Glossareintrag ist also Metaethik. Zur Metaethik gehört andererseits auch die Frage, was Ethiken voneinander unterscheidet. Wie kommen Ethiken zur Deutung von Moralen und wie verhalten sich Affirmation und Kritik relativ zu Ethiken zueinander. Ein utilitaristisches Abtreibungsverbot funktioniert anders als ein deontologisches. Möglicherweise verhalten sich Ethiken und Moralen bzw. Teile von Moralen zueinander nicht beliebig. Die Metaethik könnte also zu dem Schluss kommen, dass es für ein Abtreibungsverbot besser wäre, es utilitaristisch als deontologisch zu begründen (oder umgekehrt). Vermutlich wäre das nicht nur eine Schlussfolgerung aus metaethischen Überlegungen, sondern eine moralische Forderung, die aber nicht Teil des common-sense wäre. Es gibt also weder endgültige noch besonders klare Trennlinien zwischen A, B und C. Dennoch wird in dieser Einführung soweit es geht zwischen A, B und C im Sinne dieses Glossareintrages unterschieden.

Evaluative, das  Das Evaluative ist der Bereich in der Welt, auf den wir uns mit unserem evaluativen Erleben beziehen. In psychologischen Ethiken ist das Evaluative die Gesamtheit der Vorkommnisse (token) eines ausgezeichneten Erlebnistyps (type). In anderen Ethiken ist das Evaluative der ontologische Bereich, der von ihren Axiologien erfasst wird.

Evaluatives Erleben  Personen nehmen die Welt, in der sie leben auch wertend wahr. Man sieht nicht einfach unbeteiligt ein ertrinkendes Kind oder jemanden, der ein ertrinkendes Kind rettet. Man erlebt die Dinge seines Lebens positiv oder negativ. Man findet etwas gut oder schlecht, richtig oder falsch, angemessen oder unangemessen, grausam, liebevoll, zuvorkommend, höflich, unbarmherzig, blöd usw. Das evaluative Erleben ist wertend, aber mal binär (richtig, falsch), mal spezifisch (grausam) und immer äußerst vielfältig, reichhaltig, oft überraschend. Man darf einerseits nicht aus der Tatsache, dass man etwas so oder so wertend (evaluativ) erlebt, darauf schließen, dass unsere Wertungen adäquat sind. Aber andererseits sind unsere Wertungen (wenn wir etwas evaluativ so oder so erleben) für uns wichtig, wenn wir unsere eigenen Motivationen verstehen wollen. Und insofern sich die Alltagsmoral und der common sense aus unserem evaluativen Erleben speisen, gibt es keinen vernünftigen Grund, unseren Wertungen grundsätzlich philosophisch zu misstrauen (historische Erfahrung). Die Begriffe "evaluatives Erleben" und "evaluative Erfahrung" werden in diesem Buch austauschbar verwandt.

Externalismus/Internalismus  Man denke sich einen Kreis und Punkte, die sich in diesem Kreis, und Punkte, die sich außerhalb befinden. Die einen sind externe, die anderen sind interne Punkte. Wenn man nun in der Philosophie sagt, dass es für ein Problem x um die internen "Punkte" (y1, y2, y3, ...) geht und nicht um die externen "Punkte" (z1, z2, z3, ...), vertritt man einen Internalismus. (Sonst vertritt man einen Externalismus oder einen neutralen Agnostizismus.) Der Gegensatz kennzeichnet also verschiedene Strategien der Philosophie in Bezug auf beliebige philosophische Probleme. In diesem Sinne vertreten partikularistische Moralpsychologien einen begründungstheoretischen Externalismus: So entnimmt man moralische Gründe (x) der Vernunft (y1, y2, y3, ...) und nicht der Begierde (z1, z2, z3, ...). Eine holistische Moralpsychologie vertritt dagegen die These, dass moralische Gründe aus der evaluativen Erfahrung insgesamt stammen. Sie sind nicht in einem psychischen Sinne (type) extern gegen über anderen psychischen Quellen für Gründe. Dieser Holismus in der Moralpsychologie ist also insofern ein umfassender Internalismus als zwischen (y1, y2, y3, ...) und (z1, z2, z3, ...) keine partikularistische Grenze gezogen werden darf. Das heißt: Die Typologie der evaluativen Erfahrung hat keine axiologische oder begründungstheoretische Relevanz.

Freiheit  Freiheit ist negativ definiert die Freiheit von Zwang und positiv die Freiheit zu allen möglichen Dingen. Freiheit ist in diesem positiven und negativen Sinn Handlungsfreiheit: Kann man das, was man will erreichen oder verwirklichen? Davon zu unterscheiden ist metaphysische oder Willensfreiheit: Kann man sich für das, was man will, "frei" entscheiden. Viele glauben, dass die Freiheit des Willens und die Freiheit des Handelns in einer konzeptionellen Beziehung zueinander stehen. Es gibt viele Verwendungen des Freiheitsbegriffes, eine wichtige ist "politische Freiheit." Hierunter versteht man einen Wert (bspw. das Recht zur Partizipation an politischen Entscheidungsprozessen oder die freie Wahl des Aufenthaltsortes).

Freude  Freude ist in Kapitel 1 ein Kunstbegriff. (1) Lust und Glück sind verwandte Begriffe im Kontext des Hedonismus. Der Begriff der Freude steht für eine "Lustkonzeption," die in diesem Buch als "abstrakte" oder als "heteropsychologische" bezeichnet wird. Ein Weinkenner (Sommelier) hat nicht einfach nur Lust an gutem Wein, wenn er ihn schmeckt und riecht. Seine Lust ist komplexer: Sie unterscheidet viele Nuancen und liefert als Lust zugleich intersubjektiv nachvollziehbare (heteropsychologische) Kriterien für ihre eigene Angemessenheit. Sommeliers lernen es, das Phänomen der Weinlust zu erfassen. Weder für den von Lust erfüllten Weinkenner selbst, noch für seine Kollegen ist die Lust eine einfache (idiopsychologische) Tatsache ihrer Empfindung. Eine solche Lust wird in diesem Buch "Freude" genannt. (2) Lust im egalitaristischen Sinne ist dagegen eine einfache psychische Tatsache, wenn jemand etwas als positiv erlebt, ohne im Empfinden zugleich zu wissen, "warum." Dieses Warum betrifft zugleich das Warum der legitimen Gründe und das der Ursachen des Erlebnisses. Lusterlebnisse dieser Art sind egalitaristisch, weil alle Erlebnisse einer Person in ihrem Leben und alle Erlebnisse aller Personen gleichwertig sind. In diesem Sinn wird der Sommelier einen wirklich schlechten (unlustvollen) Wein, so wie wir, als angenehm (lustvoll) erleben, wenn er nur süß und säurearm genug oder lau warm ist. (3) Diese egalitaristische Lust wird freilich regelmäßig beim Sommelier durch die Kenner-Lust in ihrem positiven evaluativen Charakter entwertet. Egalitaristische Lust ist als Tatsache konkret und bezogen auf ihren epistemischen Charakter idiopsychologisch. Dementsprechend ist nicht-egalitaristische Lust abstrakt und heteropsychologisch. Abstrakt ist sie, insofern die Kenner-Lust im unmittelbaren Lustempfinden weder ihre Genese (Lernen, kulturelle und historische Erfahrung) noch Kriterien ihrer Geltung mit-intuiert.

Gefühl  (Affekt, evaluative Erfahrung, Lust) Ein Affekt der Angst vor etwas kann in manchen Fällen übergehen in ein reines Gefühl: Pure, panikartige und unqualifizierte Existenzangst liegt zum Beispiel im Falle schwerer Depression vor. Gefühlen fehlen aber nicht nur kognitive Aspekte von Affekten, sondern auch der emotionale Aspekt ist weniger komplex oder gerichtet. Man hat Angst, weiß aber nicht warum und worin die Gefährdung besteht. Die Grenze zwischen Affekten und Gefühlen ist möglicherweise fließend, was gegen eine an types orientierte externalistische Konzeption dieser Unterscheidung spräche. So kann Schmerz einfach nur Schmerz sein (Gefühl), oder ein schnell pochender Schmerz des Voretwastretens im kleinen Zeh (Affekt). Ein besonderes Gefühl könnte das "moralische Gefühl" im Sinne reiner Billigung oder Missbilligung sein (Booh-and-hurrah-theory).

Gesinnungsethik   Es ist ein definitorisches Merkmal von deontologischen Ethiken im Gegensatz zu konsequenzialistischen Ansätzen, dass es der Ethik um die Bewertung von "Gesinnungen" geht: Personen handeln richtig, wenn ihre Absichten gute, richtige, wertvolle oder angemessene sind. Die Folgen sind für eine (reine) Gesinnungsethik irrelevant. Der Grund ist, dass man als Handelnder seine Gesinnungen (Absichten) unter Kontrolle hat, die Folgen aber nicht. Für manche konsequenzialistischen Ethiken sind Gesinnungen (Absichten) irrelevant, weil für sie nur die (teleologischen) Folgen zählen.

Glück  Glück ist Glück. Aber Glück ist manchmal Zufall, manchmal ein gelingendes Leben, manchmal ist Glück eine abstrakte und umfassende Konzeption eines gelingenden Lebens, die vielleicht immer nur ein unerreichbares Ideal bleibt. Und manchmal ist Glück einfach nur ein schöner Moment allein oder mit Freunden. Man kann Glück nicht wirklich definieren, sondern nur die Verwendung des Wortes verstehen und das Phänomen eines mehr oder weniger glücklichen Lebens in allen Aspekten untersuchen. Dass Glück als Freude ganz ohne Glück als idiopsychologische Lust auskommen könnte, erscheint unplausibel.

Hedonismus  (Freude, Glück, Lust) Der Hedonismus ist die These, dass das Glück als moralisches Ziel unseres Lebens von Lust abhängt, wenn man sie heteropsychologisch als Freude deutet.

heteropsychologisch/idiopsychologisch Eine Unterscheidung, die in psychologischen Ethiken relevant ist. Typen evaluativer Erfahrung können idiopsycholgisch sein (griechisch idion = eigen, selbst). In diesem Sinne sind sie idiosynkratisch (eigentümlich: epistemisch und geltungstheoretisch). Gewissensäußerungen sind idiopsychologisch, weil sie für die Person selbst eine (teilweise unverständliche) innere Stimme darstellen, die ihnen erfolgreich sagt, was sie tun sollen. Die Autorität dieser Stimme wird von uns subjektiv anerkannt, obwohl wir sie nicht endgültig verstehen (vgl. das daimonion des Sokrates). (Es gibt keine heteropsychologischen Gewissensäußerungen. Wer aus voller Überzeugung im Bewusstsein aller Gründe handelt, ist "beherzt,standfest" oder "authentisch," aber nicht "gewissenhaft" bzw. "skrupulös".) Andere Typen der Erfahrung können auch heteropsychologisch sein (Beispiel: Lust, Unlust, Vernunft). Lust im heteropsychologischen Sinne ist beispielsweise "Ekel" (und seine Abwesenheit, die keinen Namen hat). Es gibt keinen als normal zu bezeichnenden idiopsychologischen Ekel, denn Ekel ist ein erlerntes Unlustempfinden, das sich in frühen Jahren im sozialen Raum unserer Entwicklung herausbildet. Wer Ekel empfindet, macht nicht-idiosynkratische Unterscheidungen. Für sein unterscheidendes Empfinden sind kulturelle, soziale und historische Parameter konstitutiv geworden. Diese Parameter spiegeln sich in unseren Erläuterungen und Begründungen des Ekels wider. Insofern ist Ekel psychologisch subjektiv, aber geltungsmäßig nicht unvermittelt auf uns selbst (idion) bezogen, sondern auf das andere (heteron) der Kultur. (Wer in einem idiosynkratischen Sinne Ekel empfindet, wenn er beispielsweise normgerechtes Leitungswasser trinkt, ist psychisch krank.)

Historische Erfahrung   Historische Erfahrung ist zum einen ein geschichtlicher Prozess, in dem sich die individuelle und soziale Alltagsmoral mit mehr oder weniger Systematizität entwickelt. Zum anderen ist sie das rechtfertigende Resultat dieses Prozesses. Die verbundene und sich überlappende moralische Dimension individueller Biografien in einem sozialen Kontext ist sowohl individuell als auch sozial zäh und bewährt sich oder sie bewährt sich nicht. Diese doppelte Zähigkeit ist eine Art Viskosität im geltungstheoretischen Sinn einer Ethik. Die Geltung des Faktischen kann als Rechtfertigungsbasis einer Ethik dienen, weil die Alltagsmoral eine echte Werterfahrung darstellt und sowohl deskriptiv als auch normativ, präskriptiv, wertvoll und glückskonstitutiv ist. Als Begründungsressource steht sie also nicht in Widerspruch zum Humeschen Gesetz. Zwar ist die Ethik der Alltagsmoral im Sinne eines pluralen common sense eine Ethik der sich selbst bewährenden oder entzaubernden historischen Erfahrungen in seinen Geltungs- und Begründungsleistungen vage, vielfältig und dynamisch. Aber dieser Charakter einer Ethik erscheint vielen als Defizit, weil sie eine Ethik suchen, die nicht vage, nicht vielfältig und nicht dynamisch ist. Dafür favorisieren sie eine ausgezeichnete Methode ihrer Ethik und gründen ihre moralischen Urteile auf passende epistemische Geltungsquellen für klare Antworten. Sie ignorieren andere Geltungsquellen. Im Kontext solcher Ethiken ist die philosophisch eng geführte Zielvorstellung dieser Suche das Hauptargument für die Zuschreibung von Defiziten an die historische Erfahrung (Revisionismus). Die Sehnsucht nach klaren Antworten ist der eigentliche Dissens. Die Viskosität der moralischen Geltung kann nicht in Allgemeinheit oder Universalität erstarren, wenn der moralische common sense ethisch als historische Erfahrung rekonstruiert wird. Sie erstarrt aus der philosophisch motivierten Sehnsucht nach universalen und unveränderlichen Gesetzen, die man allen gleichermaßen vorschreiben kann, weil jeder die Geltungsquelle anerkennen muss. Das Moment der Bewährung (Biodiversität) hat hedonistische Tiefen in einem heteropsychologischen Sinne, der sich am Besten tugend- und sozialethisch (Kap. 8, 13, 14) deuten lässt. Eine Ethik der Alltagsmoral liefert aber nur unklare Antworten, weil sie keine methodischen und epistemologischen Revisionen im starken Sinne zulässt (sucht). Die Lust als Geltungsprinzip einer solchen Ethik kann auch ein psychologisch/nicht-psychologisches Fundament moralischer Geltung sein (vgl. Kap. 1).

Holismus  (Moralpsychologie, Internalismus/Externalismus) Im Kapitel Moralpsychologie wird eine Unterscheidung zwischen Holismus und Partikularismus abgerufen, die in der Philosophie vielseitig verwendet wird. Ein Holismus versteht etwas Ganzes nicht als die Summe seiner Teile. Vielmehr kann man die Teile eines Ganzen nur unter Bezugnahme auf das Ganze individuieren (unterscheiden) und so das Ganze verstehen. Ein Partikularismus in diesem Sinne wäre die mechanistische These, dass das Ganze nur die Summe der Teile ist. Manche Philosophen sind im Bezug auf mechanische Uhren Partikularisten, aber im Bezug auf Organismen Holisten. Holismus wird zumeist als Gegensatz zum Partikularismus gesehen (vgl. griechisch holon = das Ganze und lateinisch pars = Teil). In der Kosmologie ist der Atomismus ein Partikularismus: Das Ganze des Kosmos ist aus Atomen als diskreten Teilchen zusammengesetzt. Dagegen steht die sogenannte Elementen-Lehre (die heute vielleicht als String-Theorie wiederbelebt wird). Der ganze Kosmos besteht aus Feuer, Erde, Luft und Wasser. Diese Elemente sind nun keine Atome, weil sie nicht unteilbar und unveränderbar sind. Elemente können sich wechselseitig ineinander verwandeln und bewegen sich dann zu ihrem Platz im Kosmos hin (vom Zentrum zur Peripherie: Erde, Wasser, Luft, Feuer). Man kann diese kleinsten "Teile" nur unter Bezugnahme auf das Ganze verstehen. (So ist Wasser der Teil der Materie, der sich als Wasser von anderer Materie unterscheidet, weil es an seinen Platz im Kosmos hinstrebt, auch wenn es bspw. in unserem Organismus mit den anderen Elementen vermischt ist.) In der Psychologie kann man analog einzelne Erlebnisse (Lusterlebnisse) oder Typen von Erlebnissen (Vernunft, Begierde) als "Atome" oder als "Elemente" des bewussten Erlebens verstehen. Als Atome individuieren sich Erlebnisse (vgl. bspw. in der empiristischen Erkenntnistheorie von John Locke einfache Ideen der sinnlichen oder geistigen Wahrnehmung) aus sich selbst heraus und der Geist setzt sich aus ihnen zusammen, wie der Kosmos aus Atomen. Analoges gilt für Typen von Erlebnissen: Manche Philosophen meinen, dass sich Vernunfterlebnisse (reine praktische Vernunft) in ihrem Erlebnischarakter von anderen Erlebnissen (Begierde, Neigung) unterscheiden. In diesem Sinne vertreten sie einen psychologischen Partikularismus.

Humesches Gesetz  Das Humesche Gesetz ist vom Naturalistischen Fehlschluss zu unterscheiden. Hume bemerkte, dass man in moralischen Diskussionen nicht eine Zeit lang behaupten kann, dass das-und-das so-und-so ist, nur um dann zu sagen, dass es so sein soll. Etwas formaler lautet das Gesetz: Aus einer Menge rein deskriptiver (beschreibender) Sätze, kann man keine moralische, präskriptive oder evaluative Geltung ableiten. Das Humesche Gesetz ist also eine These zur Gültigkeit von Schlüssen. Ein solcher Schluss wäre gültig, wenn man davon ausgeht, dass die Vordersätze nicht rein deskriptiv sind (common sense, historische Erfahrung). Ein solcher Schluss wäre auch gültig, falls man folgendes Brückenprinzip akzeptiert: "Das, was alle faktisch tun, soll man tun!"

Intuition, moralische  (1) Der Begriff moralischer Intuitionen ist sehr umstritten. Intuitionen haben Ähnlichkeit mit Wahrnehmungen. In einer Wahrnehmung bringt sich uns etwas aus sich selbst heraus zu Bewusstsein: Wir sehen einen Stein, wenn wir die Augen auf haben und genügend Licht da ist. Im Wahrnehmen sind wir "passiv." (2) Intuitionen in der Mathematik sind Einsichten, die selbst nicht weiter begründbar sind oder erläutert werden könnten (bspw. das Widerspruchsprinzip der Logik oder die Axiome der Arithmetik und Geometrie). Im Akt des intuitiven Schauens wissen wir, dass etwas nicht zugleich und in derselben Hinsicht es selbst und etwas anderes ist. In mathematischen Intuitionen erfasst man "unumstößliche Wahrheiten" und ist "absolut gerechtfertigt." (3) Intuitionen in der Ethik teilen mit der Wahrnehmung die beiden Momente 1 und 2. Im Gegensatz zur Wahrnehmung sind Intuitionen aber nicht notwendig auf den Gegenstandsbereich der empirischen Erfahrung unserer Sinne beschränkt. Das Moment der Passivität bleibt aber immer. Dass Intuitionen unbestreitbar wahr sind, kann in der Ethik analog zur Mathematik konzipiert werden (vgl. Platon). Man kann Intuitionen aber auch als unmittelbare subjektive Wahrheiten konzipieren, die fallibel sind. Wir sehen die Dinge so, wie wir sie sehen, aber möglicherweise sollten wir sie anders sehen. Intuitionen können also entweder evaluative Erfahrung im allgemeinen Sinne sein oder epistemische Grundprinzipien der platonischen, expressionistischen oder dezisionistischen Wertethik (vgl. Kap. 9). In psychologischen Ethiken sind Intuitionen einzelne Vorkommnisse des jeweils für die Axiologie dieser Ethiken konstitutiven Erfahrungstyps (vgl. Kap. 5, 6, und psychologische Ethik).

Kategorischer Imperativ  Hierbei handelt es sich um ein Verallgemeinerungsprinzip in der kantischen Ethik. Vernünftige menschliche Personen sehen sich als unter Verpflichtungen stehend. Der Pflichtbegriff ist zwar vernünftig und wird aus der Vernunft erkannt, aber er füllt sich nicht aus sich selbst mit Inhalten: Handle nach der Maxime, die sich selbst zugleich zum allgemeinen Gesetze machen kann. Zu inhaltlichen Bestimmungen der Pflicht (Unter welchen Verpflichtungen stehe ich hier und jetzt?) kommt man nur, indem man überprüft, ob die eigenen Motivationsstrukturen (Maximen) verallgemeinerbar und widerspruchsfrei sind. Vernünftigkeit moralischer Begründung wird in einem solchen Testverfahren reduziert auf Verallgemeinerbarkeit und Widerspruchsfreiheit von Handlungen.

Kompatibilismus/Inkompatibilismus  Diese Wor­te werden in der Philosophie in vielen Themenfeldern dazu benutzt, um Positionen zu kennzeichnen. Ein Kompatibilismus vertritt dann immer die Vereinbarkeit von unterschiedlichen Theorieelementen, der Inkompatibilismus die Unvereinbarkeit.

Kontingenz, Inkontingenz  Kontingent ist das, was nicht notwendig ist, sondern zufällig, aber in einem Sinne zufällig, der nicht notwendig chaotisch ist. Die moralischen Auffassungen einer Kultur sind weitgehend kontingent, aber sie sind das Ergebnis historischer Erfahrung. Auf längere Sicht können sich moralische Auffassungen bewähren oder ihren Zauber verlieren. Man wird kaum eine moralische Vorstellung finden, die nicht in anderen Kulturen und zu bestimmten Zeiten unbekannt war oder die an die Stelle einer gegenteiligen getreten ist. (Vielleicht war der "Inzest" eine nicht-kontingente Norm. Neuerdings werden allerdings Klagen gegen das Inzestverbot zugelassen: EGMR, 12.04.2012-43547/08.) Veränderungen der Alltagsmoral sind rationale Antworten auf die Erfahrung der Überlebtheit moralischer Vorstellungen und der Notwendigkeit der kreativen Anpassung der Moral an neue Umstände — und sei es nur, weil Überkommenes langweilig geworden ist.

Lust, Lusterlebnis  Lust ist ein Typ (type) der evaluativen Erfahrung. In Lust wird etwas als lustvoll erlebt. Dieses Erleben kann heteropsychologisch oder idiopsychologisch gedeutet werden. Lust kann einem Gefühl oder einem Affekt verwandt sein. Zunächst ist Lust immer ein positives Erleben, Unlust ein negatives. Dieses Erleben kann mehr oder weniger komplex sein (je nachdem wird es eher ein Gefühl oder ein Affekt sein). Lusterlebnisse sind im Gegensatz zu Freude idiopsychologisch und daher epistemisch und geltungstheoretich egalitaristisch. Denn aus dem angenehmen Erleben selbst ergeben sich keine ungleichen Bewertungskriterien: Warum sollte meine Lust für uns relevanter sein als deine?

Mesoteslehre  Das meson ist im Griechischen das Mittige oder das Mittlere. In der aristotelischen (Tugend-)Ethik ist die Mesoteslehre der Kern des Verständnisses der ethischen Tugenden. Tapferkeit ist eine Tugend, die die Mitte zwischen dem Laster des Zu-Viel (Tollkühnheit) und dem Laster des Zu-Wenig (Feigheit) wahrt. Die Mitte ist dabei einerseits keine arithmetische, sondern eine proportionale und sie ist andererseits keine unveränderliche, sondern eine situative und persönliche.

Metaethik  Ethik

Monismus  Pluralismus

Moral point of view  In revisionistischen psychologischen Ethiken gibt es einen "moral point of view." Damit ist ein in moralischen Fragen ausgezeichneter Standpunkt gemeint, den man auf der Suche nach praktischer Orientierung einnehmen muss, um zu einer angemessenen Antwort zu gelangen. Ein solcher ausgezeichneter Standpunkt vernachlässigt viele andere Standpunkte und Perspektiven, die man auch noch einnehmen könnte. Der moral point of view ist immer insofern revisionistisch, als die evaluative Erfahrung, gedeutet als philosophische Ethik, methodisch eine Pluralität von Standpunkten nahe legt. Ein Ethiker des common-sense plädiert für einen auf sie bezogenen Pluralismus. In psychologischen Ethiken kann eine monistische Perspektive der Moral durch eine partikularistische Moralpsychologie erreicht werden. Die Motivation des Philosophen, einen moral point of view als ethische Begründung moralischer Geltungen zu fordern, ist der Wunsch nach einer stark konsensbildenden Kraft der Moral und klaren Antworten. Konsens ist dabei zunächst (i) nur das wechselseitige Verstehen, zumeist aber (ii) als wechselseitige Zustimmung mehr. Überdies ist der Geltungscharakter eines moral point of view universalistisch im Sinne (iii) einer wechselseitig erzwingbaren Zustimmung. Man wird daher als Vertreter einer moral point of view-Theorie in seiner Moralspychologie einen Typ evaluativer Erfahrung wählen, der in besonderem Maße heteropsychologisch ist. Denn das sichert im Idealfall die universale Geltung der Antworten des moral point of view. Insofern ist ein moral point of view (i-iii) zumeist antipluralistisch: moralisch antipluralistisch im Bezug auf die praktische Orientierung und methodisch antipluralistisch im Bezug auf die Ethik. Ein pluralistischer moral point of view wäre nur das Evaluative Erleben in Verbindung mit einer holistischen Moralpsychologie.

Moral  Ethik

Moralische Erfahrung  evaluative Erfahrung

Moralpsychologie  Unter Moralpsychologie kann man zum einen (a) die Psychologie des Moralischen verstehen, zum anderen (b) die Moral des Psychischen. Unter Psychologie versteht man die Lehre oder die Wissenschaft, die das Psychische als Untersuchungsgegenstand hat. Das Psychische ist zunächst nur das bewusste Erleben. In manchen Psychologien gehören das "Unterbewusste" oder "neuronale Erregungsmuster" mit zum Untersuchungsgegenstand. Die Adjektive "psychisch" und "psychologisch" werden im Deutschen leider oft austauschbar verwandt. In diesem Buch ist in den meisten Fällen nur psychisch gemeint, auch wenn sprachlich psychologisch opportun erscheint. (ad a) Platon war der Auffassung, dass ein Mensch dann gut ist, wenn seine Motivationen (Handlungen, Verhalten) auf eine bestimmte Weise entstehen: Die Vernunft soll unter Zuhilfenahme der Affekte die Begierde kontrollieren. Diese Theorie setzt voraus, dass es in einem introspektiv nicht unmittelbar zugänglichen Weg drei "psychische Module" gibt (Vernunft, Affekt, Begierde). Ihr Vorhandensein und die Notwendigkeit ihrer Dreiheit (diese drei!, nicht mehr als drei!) können wir durch Reflexionen über unser subjektives Erleben und unser Handeln erschließen. Ohne diese psychologischen Annahmen versteht man das Moralische nicht. Aristoteles war wie Kant der Auffassung, dass es nur eine psychologische Zweiheit gibt (Vernunft, Begierde). Die Stoa war der Auffassung, dass es nur einen psychischen Monismus gibt. In diesem Sinne vertreten die meisten Philosophen partikularistische Moralpsychologien, die Stoa vertritt eine nicht-partikularistische (holistische, monistische). Zwar sind Ethiken auf eine bestimmte Psychologie verpflichtet, aber sie sind daher noch nicht unmittelbar psychologische Ethiken. (Vgl. Kap. 12) In einer Moralpsychologie darf man die Strukturen des Psychischen (Vernunft, Affekt, Begierde) nicht mit ihren bewussten Äußerungen im praktizierten vernünftigen Denken und im affektiven und begehrlichen Erleben gleich setzen. (ad b) Die Moral des Psychischen ist zunächst nur der evaluative Charakter bestimmter Erlebnisse oder Erlebnistypen. So ist Schmerz zugleich eine unlustvolle Bewertung und insofern axiologisch negativ. Im weiteren Sinne ist die Moral des Psychischen der Bereich der moralischen Gefühle oder Affekte und ihre komplexe Phänomenologie (Scham, Dankbarkeit, Schuld, Stolz, Mitleid, Verzeihung, ...).

Naturalistischer Fehlschluss  George Edward Moore vertrat im Unterschied zu Hume (Humesches Gesetz) die These, dass man die ethischen Begriffe für moralische Geltung nicht naturalistisch deuten darf. Wer "gut" als "lustvoll" definiert, begeht einen naturalistischen Fehlschluss, wenn er unter "Lust" einen physiologischen Zustand versteht, wie er in der Biologie erforscht wird. Ontologisch sind die Naturwissenschaften und die Ethik auf unterschiedliche Seinsbereiche bezogen und in der Definition "gut ist lustvoll" werden diese Bereiche unangemessen miteinander identifiziert. Eine Definition ist normalerweise in der Philosophie kein Schluss, Definieren kein Schließen. Man muss also nicht nur das "naturalistisch" in diesem Konzept erläutern, sondern auch "Schluss." Dass man in der oben genannten Definition von "gut" etwas mit etwas identifiziert, kann man jedoch als Schließen auffassen. (Üblich ist eine solche Auffassung in der Philosophie nicht.) "Gut" ist eine Eigenschaft im ontologischen Reich des Evaluativen; "lustvoll" ist eine im ontologischen Bereich der Natur; die Definition identifiziert etwas aus dem einen Bereich mit etwas aus dem anderen Bereich. Es gibt ergänzend auch einen metaphysischen Fehlschluss: Er identifiziert das Ethische mit dem Übernatürlichen. Somit gibt es drei Seinsbereiche (das Natürliche der Naturwissenschaft, das Moralische der Ethik und das Übernatürliche der Metaphysik). Die Ethik darf sich nur mit ihrem Seinsbereich beschäftigen. Wir erfassen ihn durch Intuitionen.

Naturalismus  In der Ethik gibt es zwei wesentliche Möglichkeiten, einen Naturalismus zu vertreten: (A) Man hat eine reichhaltige Vorstellung über das Wesen und die Natur des Menschen und leitet hieraus moralische Forderungen ab. Früher tat man das, indem man das Wesen der Ehe für eine heterosexuelle Gemeinschaft zweier Personen hielt. Es gibt aber auch heute noch akzeptierte Beispiele: Eine solidarische Gesundheitsversorgung kann konzeptionell auf der Auffassung beruhen, dass Menschen im Bezug auf gesundheitliche Risiken Schicksalsgemeinschaften bilden und moralisch eine wechselseitige Verantwortung für einander zu tragen haben, weil sie ihrer Natur nach von Krankheit bedroht sind und in dieser Hinsicht nicht autark sind. (B) Naturalist ist man aber auch, wenn man sich (a) epistemologisch, (b) methodisch, (c) ontologisch und (d) geltungstheoretisch an den Naturwissenschaften orientiert. (a) Epistemologisch sind diese Wissenschaften empirisch (Wahrnehmung ist eine zentrale Quelle des Wissens). (b) Methodisch ist das Experiment für die Naturwissenschaften kennzeichnend. (c) Ontologisch kann man alles das, was existiert (bspw. Gesellschaften) reduzieren auf die im sozialen Raum und in der kulturellen Zeit interagierenden Individuen. (d) Geltungstheoretisch beruhen die Naturwissenschaften auf einer zweiten zentralen Quelle des Wissens: Universalen (mathematischen) Gesetzmäßigkeiten. – Man kann A als anthropologischen und B als metaphysischen Naturalismus bezeichnen.

objektiv  subjektiv

Partikularismus  Dieser Begriff hat in der Philosophie viele Bedeutungen. (A) Einerseits steht der Partikularismus gegen den Holismus. In dieser Hinsicht gibt es einen Bezug zur Unterscheidung Internalismus/Externalismus. (B) Andererseits ist in der Ethik der Partikularismus die These, dass für das Problem der moralischen Rechtfertigung letztlich die unendlich feinteiligen Aspekte von Situationen relevant sein können und ausschlaggebend für moralische Entscheidungen sind. In dieser Hinsicht steht der Partikularismus gegen den Universalismus/Generalismus. Dessen These ist, dass moralische Entscheidungen sich an allgemeinen oder universalen Gesetzen orientieren müssen. Ein Beispiel: Darf ich hier und jetzt lügen? Der Universalist mag "Nein!" sagen, weil es ein universales Lügenverbot gibt (das er in seiner revisionistischen Ethik begründet hat). Deshalb sind mögliche partikulare Aspekte von Situationen, die für die Lüge sprechen, irrelevant. Der Partikularist misst diesen Aspekten zumindest potentiell eine begründungstheoretische Bedeutung zu. Die Partikularität der Geltung steht nicht nur gegen den universalen Charakter der Geltung oder die Allgemeinheit der geltenden Regeln, sondern auch als emotionale Beteiligtheit gegen die Unparteilichkeit der nüchternen Vernunft. Es gibt keinen zwingenden philosophischen Grund, weswegen partikulare und universale Geltung in einer Ethik nicht systematisch koexistieren dürften.

Pluralismus  Es gibt eine Pluralität (Vielfalt von etwas), die man möglicherweise pluralistisch wertschätzt. (A) Wenn man sie schätzt, ist man Pluralist oder vertritt einen Pluralismus. In Fragen der Moral vertritt der Pluralismus die These, dass es gut, richtig und angemessen ist, dass es eine Vielfalt einander widersprechender Moralen gibt. Dieser Pluralität kann er als moralischer Pluralist nur gerecht werden, wenn er auch in der Ethik epistemisch und begründungstheoretisch Pluralist ist. (B) In der Philosophie ist der Pluralismus und sein Gegenteil der Monismus eine Charakterisierung von philosophischen Methoden. Viele Philosophen wollen alles auf ein Prinzip (Utilitaristen das Gute auf den Nutzen, Deontologen das Richtige auf die Vernunft) zurückführen. Sie müssen deshalb alles, was nicht zu diesem Prinzip passt, als irrelevant erweisen, um den Monismus zu retten. Pluralisten leben dagegen mit Widersprüchen, Konflikten, Ambiguitäten und Vagheiten in ihrer Systematik. Intuitionisten (Intuitionismus) in der Philosophie sind in diesem Sinne Pluralisten.

poiesis vs. praxis  (Oder: poietisches vs. praktisches Handeln) Mit dieser Unterscheidung werden zwei Klassen von Handlungen unterschieden. Poietische Handlungen sind herstellende Handlungen (von griechisch poiein = verfertigen, verschaffen, opfern, zu etwas machen), die auf ein vom Handeln und Handelnden unterscheidbares Ziel im Sinne eines hergestellten Produktes aus sind. Praktische Handlungen sind Handlungen, deren Ziel in ihrem Vollzug selbst liegt (von griechisch prattein = handeln, vollbringen, betreiben). Der Handwerker stellt ein Werk her, das man im Gebrauch genießen kann; wenn man tanzt, geht es (zumindest wenn man aus Spaß tanzt) um den Genuss des Tuns selbst. (Die Unterscheidung stammt aus: Aristoteles 2011, 6.4-5, 3.1-2, 10.7; vgl. Ebert 1976.) Man kann die Unterscheidung stark deuten, dann handelt es sich um extensional exklusive Klassen von Handlungen. Dann muss eine Handlung entweder ein Ziel unabhängig von ihr (im Produkt des Handelns) haben oder in ihm selbst. Man kann die Unterscheidung auch schwach deuten, dann handelt es sich um Handlungstypen, die intensional inklusiv an einzelnen Handlungen als Aspekte ausgemacht werden können. Wer etwas produziert (ein Brötchen), ist in der Produktion zum einen dadurch motiviert, es zu gebrauchen (das Brötchen aufessen). Der Nutzen liegt im Genuss des Produktes als externes Ziel des Produzierens. Zum anderen ist ein Bäcker auch talentiert und im Leben dazu berufen, seine Brötchen elegant und qualitativ hochwertig (kunstvoll) zu produzieren. Der Weise, wie er produzierend handelt, kommt also wie dem Tanzen auch ein innerer Wert zu. Man könnte der Auffassung sein, dass das Leben insgesamt nur praktisch ist und nicht poietisch. Allerdings arbeiten Personen auch an sich (Charakterbildung, Training), sie erbringen eine Lebensleistung (preiswürdige Resultate ihres Lebensvollzuges) und sie reproduzieren sich in ihren Nachkommen. Die intensionale Deutung der Unterscheidung könnte man besser (ohne den Zielbezug) so fassen: Jedes Tun kann poietisch und praktisch zugleich sein (manchmal mag jedoch das eine oder das andere überwiegen oder relevanter sein). Ein Tun ist insofern poietisch als es eine Entäußerung des Tuenden darstellen kann: Durch seine Arbeit realisiert man sich (seine Vorstellungen, seine Kräfte, sein Können) in einem unabhängigen Produkt, aber durch Arbeit an sich formt man auch seinen Charakter oder seinen Körper, der einem selbst dann faktisch als Können oder Nicht-Können gegenüber steht. (Entäußerung hat nichts mit der Innen-/Außen-Differenz zu tun: Es geht lediglich um Aspekte der Motivationen von Personen.) Poiesis als sich entäußerndes Tun kann nun so in Gegensatz zu Praxis gesehen werden: Ein Tun ist praktisch, wenn es um Aspekte des Tuns geht, die (negativ formuliert) nicht-entäußernd sind. Positiv formuliert geht es dann um ein authentisches bei sich selbst (faktisches und ideales "Selbst") Bleiben der Person in ihrem Tun. Insofern kann man das Praktische als das Handeln im Vollzug und das Poietische als herstellendes Handeln bezeichnen.

psychologische Ethik  Es gibt verschiedene Typen der Erfahrung. (Vgl. type/token.) Dabei bedeutet Erfahrung, dass man bewusste Erlebnisse hat. (Vgl. Bewusstsein.) Typen von Erlebnissen unterscheiden sich voneinander. Unterschiede dieser Art sind uns zumindest intuitiv klar. Wahrnehmungen, Gefühle, Affekte, Vernunft, Begierde sind einige Beispiele solcher Erlebnis- oder Erfahrungstypen. Evaluative Erfahrung ist als moralische Erfahrung ebenfalls ein solcher Typ. Allerdings ist evaluative Erfahrung selbst sehr vielfältig (Gefühle, Affekte, Vernunfturteile, Wert­erfahrung ... sie alle sind mehr oder weniger stark, heftig oder motivational). In einer psychologischen Ethik wird nun gesagt, dass moralische Erfahrung ein besonderer Typ von evaluativer Erfahrung ist, der sich von anderen Erfahrungen (evaluativen und nicht-evaluativen) unterscheidet, dessen Unterschiedenheit wir aber nicht intuitiv erfassen, sondern nur, indem wir philosophischen Herleitungen folgen (reine praktische Vernunft wäre ebenso so ein Typ wie Lust). Der Ethiker muss solche Typen, wie ein Chemiker methodisch "isolieren." Moralische Erfahrung kann also im weiten Sinne evaluative Erfahrung sein. In psychologischen Ethiken wird sie jedoch enger rekonstruiert: Sie sind daher revisionistisch gegenüber der evaluativen Erfahrung im weiten Sinne. Psychologische Ethiken reduzieren moralische Erfahrung auf einen besonderen Typ evaluativer Erfahrung. Daher unterscheiden sie sich in ihrer Axiologie.

Rationalität  Vernunft, d.

Revisionismus  Revisionismus ist zweideutig. (A) Jede Ethik ist insofern revisionistisch, als eine Ethik über die Moral reflektiert (sie artikuliert und deutet) und dabei möglicherweise zu einer mehr oder weniger umfassenden Kritik kommt. Dies ist ein kontingenter moralischer Revisionismus jeder Ethik; denn in der Regel ist die Alltagsmoral ethisch akzeptabel. (B) In einem engeren ethischen Sinn ist jede Ethik revisionistisch, aber psychologische Ethiken sind besonders revisionistisch. Da die evaluative Erfahrung in ihrer Komplexität, Widersprüchlichkeit und Dynamik konstitutiv ist für den common-sense, ist jede Ethik als Theorie der Moral eine Vereinfachung. Psychologische Ethiken sind darüber hinaus besonders vereinfachend. Daher sind sie oft in praktischen Orientierungsfragen unzureichend. Metaethisch gesehen zielt das Konzept des ethischen Revisionismus also auf eine Klärung der Reichweite der Ethik (vgl. Kap. 2).

subjektiv vs. objektiv  Dieses Gegensatzpaar wird in der Erkenntnistheorie und der Ethik oft unklar benutzt (a). Diese Unklarheit hat strategische Gründe (b). (ad a) Etwas kann subjektiv im (i) epistemischen, (ii) ontologischen, (iii) geltungstheoretischen Sinne sein. Diese Unterscheidungen sind unabhängig von der Differenz (iv) abstrakt/konkret und (v) allgemein/spezifisch. (ad i) Im epistemischen Sinne ist das subjektiv, was Gegenstand im Bewusstsein ist. Ein wesentliches Merkmal des Bewusstseins ist es, dass seine Vorkommnisse (bewusste Erlebnisse) privat sind. Epistemisch sind sie nur einer Person selbst direkt zugänglich. Sie sind für andere epistemisch nur indirekt über Äußerungen und Handlungen/Verhalten zugänglich. Objektiv in dieser Hinsicht ist alles, was auch öffentlich zugänglich ist. (ad ii) Im ontologischen Sinne ist alles subjektiv, was in seiner Existenz abhängig vom Bewusstsein ist. Oft wird dieses Merkmal auch so formuliert: "..., was abhängig ist von den Leistungen der Subjektivität." Ob es aber Subjektivität in Abgrenzung zum Bewusstsein gibt, ist unklar. So existiert Zahnschmerz subjektiv, auch wenn er objektiv aus einem vom Bewusstsein unabhängig existierenden entzündeten Nerv resultiert. Niemand weiß, wie die Entzündung sich im Empfinden als Schmerz bewusst macht. Das objektiv Existierende wird in der epistemischen Beobachter-Perspektive erkannt (Naturwissenschaft); das subjektiv Existierende wird in der Teilnehmerperspektive erkannt (Nicht-Naturwissenschaft). (ad iii) Im geltungs- oder begründungstheoretischen Sinn kann subjektiv das sein, was nur für mich bzw. im Bezug auf mich gilt (richtig, gut, angemessen, wertvoll ... ist). Objektiv wäre das, was mindestens für mehr Personen, Situationen, Handlungen, Charaktermerkmale, ... als für mich oder meine gilt. So sind mathematische Reflexionen subjektiv (i) und möglicherweise subjektiv oder objektiv (ii), aber auf jeden Fall objektiv (iii). Denn das epistemisch subjektive Nachvollziehen eines mathematischen Beweises erfasst etwas objektiv Geltendes. Heteropsychologische Lusterlebnisse sind vermutlich epistemisch und ontologisch subjektiv, können aber im objektiven Sinne gelten. Die Freude am Wertvollen ist ein Beispiel hierfür. (ad iv) Das Abstrakte ist "losgelöst" (von lateinisch abstrahere = ab-, wegziehen). Es kann epistemisch, motivational oder ontologisch losgelöst sein. Wenn man einem Ratschlag folgt, den man nicht versteht, dann folgt man einer für einen selbst abstrakten Vorstellung und gewinnt in der Folge vielleicht aus der Erfahrung (Historische Erfahrung) ein konkretes Verständnis. Man denke sich dagegen eine komplexe Choreografie (Walzer) und eine Handlungsanweisung (Schrittfolge). Sie kann, wenn man keine Realisierungskompetenz hat, motivational abstrakt sein. Man muss sich durch das Tanzen einfühlen und eine konkrete motivationale Kompetenz erwerben. Das Abstrakte kann aber auch das im Erkennen durch die Theorie von der Welt Losgelöste sein. Die Welt wäre dann ontologisch der konkrete Ausgangspunkt. Das Abstrakte in diesem Sinne ist objektiv, weil es nicht subjektiv angeeignet ist. (ad v) Das im Geltungssinne Objektive wird oft mit dem Allgemeinen und das Universalen identifiziert. Aber moralische Geltung kann auch spezifisch sein. Das Objektive kann sehr spezifisch sein: Die moralische Ungerechtigkeit eines Steuersystems kann an winzigen Details hängen und dort ausgemacht werden. Neben dieser semantischen Unterscheidung gibt es auch eine begründungstheoretische. Objektive Geltung in der Moral wird zumeist von Ethikern als universal charakterisiert: Etwas gilt für alle, immer, überall, kategorisch und in jeder Hinsicht (Universalismus). Aber warum sollte es neben universaler Geltung nicht auch mehr oder weniger partikulare Geltung geben? (ad b) In der Kritik des Hedonismus kann man die strategische Verquickung bzgl. dieser Unterscheidungen erkennen. Weil die Lust epistemisch und ontologisch subjektiv ist, muss sie (so die These) auch im Geltungssinne subjektiv sein. Das stimmt aber nur für einen idiopsychologischen Lustbegriff, nicht für einen heteropsychologischen. Überdies wird auch oft gesagt, dass das, was epistemisch abhängig vom Bewusstsein ist, ontologisch subjektiv sein muss. Aber private Bewusstseinszustände können nur nicht beobachtet werden. Daraus folgt nicht ihre Nicht-Existenz bzw. Irrealität oder ihre Fiktionalität (es gibt zumindest das beobachtbare Verhalten, für das wir oft Motivationen als Erklärung und Verstehen annehmen). Die Verquickung dieser Unterscheidungen ist eine Folge des Revisionismus in der philosophischen Ethik. Man will klare Antworten auf Fragen der praktischen Orientierung, man will allgemeine Regeln und, weil man anderen ihr Leben vorschreiben möchte, soll die Geltung möglichst universal sein — für diese Bedürfnisse konzipiert man dann eine spezifische Epistemologie und leitet aus ihr eine zu dieser Epistemologie passende Begründungstheorie her, die dann andere epistemologische Aspekte der evaluativen Erfahrung aufgrund ihrer begründungstheoretischen Inkompatibilität mit der Lieblingsbegründungstheorie als bloß subjektiv entwertet.

Subjektivität  Der Begriff der Subjektivität kann in Abgrenzung zu den psychologischen Aspekten der empirischen und rationalen Psychologie entwickelt werden. (Vgl. Bewusstsein.) Subjektivität ist der Gegenstand einer transzendentalen Psychologie. Sie grenzt sich von der rationalen und der empirischen ab. Subjektivität ist daher die Ermöglichungsbedingung empirischer Erfahrung und Erkenntnis. Die Struktur der Subjektivität ist insofern "transzendental" als sie die empirische Erfahrung übersteigt (von lateinisch transcendere = übersteigen). Denn die vielen mannigfaltigen empirischen Vorstellungen im Bewusstsein machen die Annahme entweder des Mentalen (etwa die "Seele" einer rationalen Psychologie) oder der Subjektivität nötig ("reine" oder transzendentale Psychologie). Da alle mannigfaltigen Erscheinungen (Wahrnehmungen, Gefühle, ...) von einem "Ich" erfahren werden, ist dieses "Ich" die transzendentale Einheit des Selbstbewusstseins. Wahrheit, Angemessenheit, Richtigkeit ... finden ihren Geltungsgrund in diesem transzendentalen Ich, das nicht verwechselt werden darf mit dem empirischen Ich (Petra und Peter Müller mit ihrem tugendhaften Charakter und ihren wertvollen Einstellungen). Moralische (x ist gut, angemessen, wertvoll ...) und epistemische Geltung (y ist wahr) können ihre Begründung also nicht im empirischen Bewusstsein finden. Denn die (1) Pluralität der empirisch bewussten Geltungsansprüche führt aus der faktischen Vielfalt heraus zu einem inneren (und dann äußeren) Dissens. Konsens wird daher (2) erst möglich (und unausweichlich), wenn man den Dissens so deutet, dass die empirischen Subjekte (Iche) hinter ihren eigentlichen Erkenntnismöglichkeiten zurück bleiben, solange sie sich nur als empirische Bewusstseine deuten (wie vielleicht Locke). Erst (3) in der Einheit des transzendentalen Ichs, das die vielen unterschiedlichen, geordneten und vorbeifließenden Bewusstseinszustände des empirischen Ichs ermöglicht, kann man Geltungsfragen lösen. Es ist in einem eher formalen Sinne das Selbstbewusstsein als unveränderliche Einheit, in der die empirischen Zustände des Bewusstseins kategorial und verstandesmäßig nach allgemeinen Begriffen und Gesetzen geordnet sind. Die transzendentale Psychologie führt theoretisches und praktisches Wissen auf die "Struktur der Subjektivität" zurück. (Es gibt in der kreativen Werkstatt der Philosophie mehrere unterschiedliche Subjektivitätstheorien.) Die Struktur der Subjektivität ist notwendig und universal und sichert so empirischen Subjekten intersubjektive Geltungsansprüche. Zu diesen intersubjektiven Geltungsansprüchen gehört auch die antipluralistische und widerspruchsfreie systematische Geltung der Moral. Unser Wissen von ihr ist nicht unmittelbar in der empirischen Erfahrung präsent, sondern es wird im Verlaufe einer bereinigenden Argumentation (Kritik) gewonnen. In der Ethik spricht man dann von "reiner praktischer Vernunft." Ob es so etwas gibt, ist jedoch umstritten. Das philosophische Interesse an "Strukturen der Subjektivität" ist immer aus einem philosophischen Bedürfnis an kategorischer bzw. universaler Geltung der Moral oder an der Systematizität der Ethik entlehnt (alles passt widerpruchsfrei in einer umfassenden konzeptionellen Einheit des holistischen Denkens zueinander). Es ist also immer antipluralistisch und nicht mit der Kontingenz der evaluativen Erfahrung des empirischen Bewusstseins und Historischer Erfahrung als Begründungsressource des common sense vereinbar.

type vs. token  Die Unterscheidung von Typ (type) und Vorkommnis (token) ist ein nützliches begriffliches Instrumentarium der analytischen Sprachphilosophie. Sie unterscheidet die ontologische Bedeutung von Aussagen. Es gibt beispielsweise zwei wahre Aussagen auf die Frage, wie viele Tiere auf einer Wiese sind, auf der sich 5 Kühe, 3 Schweine und 70 Ameisen befinden. Dem Typ nach sind es 3. Den Vorkommnissen nach sind es 78. Wenn ein Ethiker die Tugend von Personen so definiert, dass die Vernunft unter Zuhilfenahme der Affekte die Begierde kontrollieren sollte, dann sind Vernunft, Affekte und Begierde einerseits token: Die Kontrolle der Begierden ist in partikularistischen Moralpsychologien zunächst ein ontologisches Vorkommnis (Module oder Funktionsbereiche wirken kausal gegeneinander). Da man aber kein unmittelbares Bewusstsein von diesen "Modulen" hat, kann man sich auch fragen, ob ein bestimmter Bewusstseinszustand als Vorkommnis eine Äußerung des einen oder anderen Vermögens ist und deshalb unter diesen oder jenen Bewusstseinstyp fällt.

Universalismus  Geltung ist in der Ethik universal, wenn sie in vier Hinsichten nicht kontingent ist: Das Richtige, das Gute, das Angemessene, das Wertvolle muss unabhängig von (a) zeitlichen, (b) räumlichen und (c) distributiven Veränderungen gelten. Den universalen Geltungscharakter macht man sich am Besten dadurch verständlich, dass universale Normen (d) "kategorisch" gelten – sie gelten "unbedingt." Was gilt, gilt immer, überall und für jeden. Diese Bedingungen sind aber nicht formal, sondern es handelt sich um ein Gefühl der "Kompromisslosigkeit" der Geltung. Inkontingenz in diesem Sinne löst moralische Geltung von einem common-sense ab, der als Ethik sein Geltungskonzept im Sinne historischer Erfahrung entwickelt. Historische Erfahrung ist kontingent. Manche Ethiken vertreten einen Universalismus in diesem Sinne (a-d). Universalität muss man aber von zwei weiteren Gegensatzpaaren loslösen: (1) Allgemeinheit vs. Spezifizität, (2) Abstraktheit vs. Konkretheit. (ad 1) Oft werden Geltungsbehauptungen, für die Universalität beansprucht wird, sehr allgemein formuliert ("Lügen ist verboten!"). Aber die Norm könnte auch lauten: Lügen ist in allen Notsituationen am Vormittag eines Sonnentages für Blauäugige in Paris erlaubt. Diese Norm wäre spezifisch, könnte aber (je nach Ethik) in dem a-b-c-d-Sinne universal gelten. Denn dass etwas für jemanden in Hinsicht auf etwas und unter bestimmten Bedingungen gilt, macht den Charakter der Geltung noch nicht notwendig kontingent. (ad 2) Universalistische Geltungskonzepte gelten aufgrund ihres revisionistischen Charakters oft als abstrakt. Das bedeutet, dass die Erfahrung von universalen Geltungen nur von einem partikularen Erfahrungstyp und nicht von der ganzen (konkreten) evaluativen Erfahrung einer Person abhängt. Es ist aber bisher von niemandem klar gezeigt worden, dass die Geltungsansprüche des common-sense nicht a-b-c-d-universal sein können. (Der Geltungscharakter idiopsychologischer Lust ist ganz sicher "kompromisslos.") Denn zwar ist die historische Erfahrung kontingent und damit auch die Geltung in einer common-sense-Ethik. Es könnte aber auch sein, dass es einen nicht-kontingenten Ideenhimmel gibt (vgl. Kap. 9, platonische Wertethik), zu dem wir uns immer wieder neu (also kontingent) in Beziehung setzen müssen. Konkrete Ethik kann universalistisch sein, sofern man nicht fordert, dass moralische Geltung (a) immer, (b) überall, (c) für jeden, (d) kompromisslos und (e) in jeder Hinsicht universal ist.

Vernunft  Vernunft ist (a) ein besonderer Typ psychischer Phänomene im Sinne der empirischen Psychologie (Bewusstsein) oder (b) ein mehr oder weniger universales Geltungsprinzip oder (c) der moralische Wert der Unparteilichkeit oder (d) ein ambivalentes Prinzip für Imperative im Handeln. (ad a) Als Erfahrungstyp kann man Vernunft am Besten im Rahmen partikularistischer Moralpsychologien rekonstuieren: Bei Suchterlebnissen kämpft oft die Vernunft gegen die Begierde. Es gibt aber auch Affekte, für deren emotionale und motivationale Aspekte rationale Vorstellungen konstitutiv sind. Dass es die Vernunft im Gegensatz zu anderen Typen psychischer Phänomene gibt, ist also philosophisch nicht alternativlos. (ad b) Vernunft erscheint in der Ethik besonders als begründungstheoretische Ressource nützlich. Analog zu vernünftigem Denken in der Logik oder der Mathematik soll eine Vernunftethik über die Grenzen der Individuen und Kulturen hinweg einheitliche Antworten auf Fragen der Verbindlichkeit der praktischen Orientierung ermöglichen. Dieselbe Vernunft (vgl. a) ist jedem vernünftigen Wesen als intersubjektiv verstehbare und gleichermaßen verbindliche Begründungsressource zugänglich. Die Verbindlichkeit der Vernunft wird oft als universal charakterisiert. Vernunft in diesem Sinne begrenzt die Komplexität und die Kreativität des moralischen Bewusstseins (Alltagsmoral, historische Erfahrung). Insofern ist Vernunft als geltungstheoretisches Begründungsprinzip nützlich bei Konflikten mit gravierender moralischer Sprengkraft. Allerdings kommt es immer wieder vor, dass die universale Vernunft des einen "Ja!" sagt und die des anderen "Nein!". (ad c) Aufgrund der intersubjektiven Geltungskraft der Vernunft in manchen philosophischen Artikulationen dieses Konzeptes liefert sie dem, der ihre Perspektive einnimmt, einen unparteiischen Blick auf die Dinge der Moral (moral point of view). Wo also Unparteilichkeit moralisch geboten ist, sollte man sich möglicherweise seiner Vernunft bedienen. (ad d) Oft unterscheidet man Vernunft und Rationalität voneinander, wobei letztere dann "instrumentelle" Vernunft ist. In deontologischen Ethiken ist Vernunft das moralische Einsichtsvermögen, das es jedem im Erfolgsfalle ermöglicht einzusehen, worin seine Pflicht besteht. Zwar können Pflichten nicht aus der Vernunft abgeleitet werden, aber sie ist epistemisch unser Zugang zu unseren Pflichten. Im Handeln aus Pflicht gibt es dann zwischen dem moralischen Wert der Handlung und der Handlung eine notwendig rechtfertigende und notwendig motivierende Beziehung. Vernunft ist als Quelle unserer Pflichtvorstellungen eine Lieferantin unbedingter Imperative. Man kann Handlungen aber auch in einem anderen Sinne als vernünftig charakterisieren: Wenn man diesen oder jenen Zweck erreichen möchte, dann mag dieses oder jenes als nützlich, angemessen oder wertvoll erscheinen. Und möglicherweise gibt es alternative Wege, den Zweck zu erreichen, zwischen denen man begründet wählen kann. Die vernünftigen Imperative des Handelns sind also (i) nicht notwendig an die moralische Qualität der Zwecke gebunden und (ii) nicht notwendig eineindeutig an die Zwecke gebunden. Man bezeichnet sie aufgrund dieser Bedingtheit ihrer Vernünftigkeit als hypothetische Imperative. Ob es wirklich unbedingte Imperative gibt, ist umstritten. Denn man könnte mit Bezug auf (b) und (c) die Universalität und Unparteilichkeit der Vernunft auch als unser Instrument zur Realisierung einer sozialen Gemeinschaft der Gleichen deuten. Es spricht einiges dafür, dass beides (b, c) bisweilen nötig ist, um Gleichheit zu realisieren. Aber der soziale Wert der Gleichheit ist historisch kontingent. In der Moral ständischer Gesellschaften dient die Vernunft einer partikularen und parteiischen Ungleichheit. In diesem Sinne können als hypothetische gedeutet werden, die nur deshalb als nicht-hypothetische gelten dürfen, weil wir prinzipiell nicht bereit sind, den Wert der Gleichheit infrage zu stellen. (Andere achtenswerte Kulturen und wir zu anderen Zeiten tuen das aber!)

Vita activa, vita contemplativa  Das aktive Le­ben und das kontemplative Leben sind zwei Ideale, die einerseits einigermaßen vollständige Lebensentwürfe darstellen können, die aber andererseits auch defizitär sind und vor allem ebenso in Widerspruch zueinander stehen können wie sie einander auch bedingen. Die Thematik eignet sich daher dazu, Probleme des philosophischen Pluralismus zu diskutieren. Der wirtschaftlich und politisch tätige Bürger ist aktiv, der Wissenschaftler oder der Mönch sind kontemplativ lebende Personen. Auch der Wissenschaftler und der Mönch müssen essen, benötigen Häuser und hängen von sozialen und staatlichen Strukturen ab. Ihre kontemplative Hingabe an das reine Wissen (die Theorie) oder die Spiritualität sind immer auch ein bisschen aktiv. Andererseits ist der Bürger in seiner Hingabe an das aktive Leben auf Wissen, Kompetenz und vielleicht auf Spiritualität angewiesen und insofern immer auch ein wenig kontemplativ. Beide Lebensentwürfe bedingen einander, man kann allerdings sich auch weitgehend konsequent für eine Option entscheiden, aber sie stehen auch in Widerspruch zueinander: Der Wissenschaftler kann nicht mehr auf dem Stand der Wissenschaft bleiben, wenn er in die Politik geht oder ein Unternehmen gründet. Gleiches gilt für den Politiker in umgekehrter Richtung.

Wert  Wertnehmen

Wertnehmen  Wertnehmen ist ein Kunstbegriff, der analog zum Wahrnehmen zu sehen ist. Man erfährt sich als eine Person, die in ihrem Leben mit Situationen, anderen Personen, der Welt insgesamt und mit einer unendlichen Fülle von "Dingen" konfrontiert ist. Diese Konfrontation ist ein Erleben alles dessen, was uns begegnet (Intuition). Es begegnet uns aber nicht einfach nur, sondern wir bewerten die Dinge (im Sinne von Gefühlen oder Affekten). Im weiten Sinne ist Wertnehmen nichts als evaluative Erfahrung. Im engeren Sinne versteht man darunter evaluative Erfahrung als moralische Erfahrung. Ob man Wertnehmen eng oder weit deutet, hängt auch davon ab, ob man der Auffassung ist, dass jede Erfahrung moralisch wertend ist. Werte sind die Objekte des Wertnehmens.

Wertung  Wertnehmen