Vortrag DGNS-Tagung (München 2022)

Titel

Qualitätssicherung in Neugeborenenscreening-Programmen
durch ethische Perspektiven

Zusammenfassung

(1) Neugeborenen-Screening-Programme sind als Teilpraxis der Medizin etabliert und werden stetig weiterentwickelt. Ein Kernmerkmal qualitativ hochwertiger Medizin ist ihre Evidenz-Basierung (Evidence-Based-Medicine, EBM). Es entwickelt sich seit einiger Zeit ein Bewusstsein dafür, dass Qualitätssicherung im Gesundheitssystem vor allem aufgrund seiner Komplexität komplementär einer Werteorientierung bedarf: Wertebasierte Medizin (Values-Based-Medicine, VBM). Die Weiterentwicklung des Neugeborenen-Screenings sollte sowohl durch EBM-Kriterien als auch VBM-Kriterien geleitet sein. (2) Wie findet man mehr oder auch weniger wertvolle Aspekte einer medizinischen Praxis? Ein undogmatisches Testverfahren, mit dem sich Werte und Unwerte auffinden, artikulieren und explizieren lassen ist: Welche Aspekte einer Praxis stärken oder schwächen das Kontrollbewusstsein der beteiligten Personen. "Kontrolle" ist nicht nur Macht über andere, sondern in der Psychologie geht es um das subjektive Kontrollbewusstsein von Personen. Kontrollverlust wirkt traumatisierend (Ohnmacht). Kontrollgewinn wirkt stärkend (Souveränität, Reliabilität). (3) Sich am Gedanken der VBM orientierend sollte das Neugeborenen-Screening in relevanten Hinsichten Kontrollgewinn sein. Meine These ist: Die Suche nach positiven und negativen Wirkungen auf das Kontrollbewusstsein der Beteiligten im Neugeborenen-Screening sollte integrale Bemühung seiner Qualitätssicherung sein. Ich werde an vier Kontexten illustrieren, warum das so ist: (a) Informierte Zustimmung, (b) Institutionalisierung des Neugeborenen-Screenings, (c) Erweiterung der Screeningmerkmale, (d) Transparenz der Verantwortlichkeiten. (4) Die Wirkung der EBM-Orientierung in der Medizin ist Akzeptanz. Die Wirkung der VBM-Orientierung in der Medizin ist Akzeptabilität.

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